Wir schreiben das Jahr 2005. Damals habe ich als einfacher Wachmann gearbeitet und wollte durch Weiterbildung weiterkommen und mich entwickeln. Mein Ziel war der Abschluss zur Geprüften Werkschutzfachkraft. Dazu fehlten mir noch zwei Lehrgänge und natürlich die Prüfung vor der Industrie- und Handelskammer, um den ersehnten Berufsabschluss zu erlangen. Danach würde ich wesentlich mehr Geld verdienen, meine Qualifikation aufwerten und als Fachkraft unabhängiger auf dem Arbeitsmarkt sein. Denn, erfahrene Fachkräfte waren auch damals sehr gefragt. Es sollte aber ein schwieriger Weg werden. Mein damaliger Objektleiter wollte so ganz und gar nicht irgendetwas von meiner Weiterbildung hören. Denn die Weiterbildung bedeutete gleichzeitig Beförderung. Vom einfachen Kontrollgänger zum Alarmverfolger. Doch in den Augen meines ehemaligen Chefs war nur eines ersichtlich: Keine Beförderung.
Nach 15 Jahren blicke ich auf dieses Ereignis zurück und gebe die Erfahrung weiter.
Keine Beförderung: Mobbing ist hier an der Tagesordnung
Über meine damalige Arbeit in München-Unterföhring habe ich hier auf dem Blog schon mehrfach geschrieben – wenn auch immer in Fragmenten. Die Artikel „Beruflicher Quereinstieg“ sowie „Der schwerste Tag meiner Karriere – Abschied nach sieben Jahren“ geben die Geschehnisse der damaligen Zeit sehr gut wieder. Wie bereits erwähnt, nur in Fragmenten. Eine vollständige Geschichte über meine sieben Jahren dort würde ein ganzes Buch füllen. Es war eine sehr spannende, schwierige, teils leidvolle, aber auch durch Kameradschaft und Lernerfahrung geprägte Zeit. Insgesamt hat mich diese Zeit nachhaltig geprägt.
Zu Beginn des Jahres 2005 kam ein neuer Objektleiter und krempelte das Objekt ordentlich um. Er entmachtete die bis dahin starken und einflussreichen Schichtführer und installierte seinen eigenen autoritären Führungsstil. Er war ein Autokrat der das Mobbing als ein legitimes Mittel der Mitarbeiterführung sah. Wer nicht spurte, wurde schnell eliminiert. Entweder wurde man auf eine niedriger bezahlte Position gesetzt, sodass man ganz schnell von selbst zahm wurde oder man wurde so lange schikaniert, bis man selbst kündigte. Wer dem Objektleiter loyal war, wurde befördert. Für alle anderen galt: Keine Beförderung.
Keine Beförderung: Wer nicht will, der muss. Wer will, darf nicht.
Bereits im Jahr 2004 machte eine Ankündigung des Kunden die Runde. Ab 2005, so hieß es, müssen alle Alarmverfolger die Prüfung zur Geprüften Werkschutzfachkraft vorweisen oder sie können in dieser Position nicht mehr eingesetzt werden. Ich verrichtete ab 2004 vertretungsweise die Tätigkeit des Alarmverfolgers, denn ohne die IHK-Prüfung war ich formell für diese Arbeit nicht qualifiziert. Doch wie so oft in der Praxis, mit entsprechender Berufserfahrung kann von formellen Vorschriften abgesehen werden. So wurde ich regelmäßig auch als Alarmverfolger bzw. Interventionskraft eingesetzt.
Ab 2005 machte der Arbeitgeber die Anforderung des Kunden publik. Noch in diesem Jahr müssen sich alle Alarmverfolger, die die IHK-Prüfung nicht haben, für diese bei der IHK anmelden. Nur unter diesen Bedingungen können sie weiter als Interventionskräfte eingesetzt werden. Wer sich nicht anmeldet, musste als minder Bezahlter Kontrollgänger arbeiten. Sofort wurden fünf Kolleginnen und Kollegen aufgefordert, sich bei der Industrie- und Handelskammer anzumelden. Der Haken an der Sache war, dass die meisten der fünf die Prüfung gar nicht machen wollten. Nur ein Kollege war ernsthaft an der Prüfung interessiert.
Da sah ich meine Gelegenheit kommen. Ich sprach beim damaligen stellvertretenden Objektleiter das Thema an und gab zu verstehen, dass ich die Prüfung bei der IHK unbedingt machen will. Doch die Resonanz war sehr mäßig. Der Arbeitgeber war nicht wirklich an meiner Weiterbildung interessiert. Für mich war keine Beförderung vorgesehen.
„Bei uns brauchen Sie keine IHK-Prüfung“
Wenn sich der Arbeitgeber gedacht hat, dass ich aufgebe, dann hat er sich mächtig getäuscht. Mit oder ohne ihn, werde ich die Prüfung schaffen, das nahm ich mir damals vor. Es fehlten mir noch die Werkschutzlehrgänge III und IV, obgleich diese keine Pflicht für die IHK-Prüfung waren. Doch die Lehrgänge waren als Prüfungsvorbereitung sehr sinnvoll und erhöhten die Chancen auf Bestehen der Prüfung erheblich. Kostenpunkt pro Lehrgang waren damals ca. 260 Euro. Eine Investition, die sich jedoch sehr schnell auszahlt. In der Regel übernehmen Sicherheitsfirmen diese Kosten sowie die Prüfungskosten für die Geprüfte Werkschutzfachkraft. So behält man gut ausgebildetes und qualifizierendes Personal.
Doch das galt nicht für alle. Während die Kollegen, die für die IHK-Prüfung verpflichtet wurden, auch für die Lehrgänge angemeldet wurden, bei voller Kostenübernahme durch den Arbeitgeber, war ich in diesem Pool nicht dabei. Keine Weiterbildung und keine Beförderung. Also ging in den geraden Weg und vereinbarte ein Gespräch mit dem Objektleiter. Ich äußerte zum wiederholten Mal meine Bereitschaft, mich weiterbilden und die Prüfung zur Werkschutzfachkraft machen zu wollen. Schließlich würde nicht nur ich, sondern auch das Unternehmen vom Know-how profitieren. Doch ich stieß auf taube Ohren.
Diese Antwort erhielt ich. Das ist wohl die diplomatischste Art, jemandem zu sagen, dass man ihn klein und als billige Arbeitskraft halten will. Wir beendeten das Gespräch, aber ich beendete keineswegs meine Karrierepläne. Ich absolvierte auf eigene Faust die beiden Werkschutzlehrgänge III und IV. Dazu nahm ich freie Tage und teilweise Urlaub.
Noch im selben Jahr meldete ich mich für die IHK-Prüfung und im Jahr darauf bestand ich die Prüfung zur Werkschutzfachkraft.
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